Alkoholismus: Eau de Cologne und ?Zapoi? als Mortalitätsrisiko russischer Männer



London ? Mit 59 Jahren ist die Lebenserwartung für Männer in Russland heute niedriger als in Bangladesh. Die Ursache liegt nach einer Studie im Lancet (2007; 369: 2001-2009) in den Trinkgewohnheiten. Viele Russen sind Quartalssäufer und sie schrecken auch nicht vor Eau de Cologne, Antiseptika oder medizinischen Tinkturen zurück.

Russischer Wodka enthält 43 Prozent Alkohol. In Parfümen, medizinischen Tinkturen und Reinigungsmittel sind es bis zu 97 Prozent und dies überdies steuerfrei. Damit sind die nicht für den Verzehr vorgesehenen Ethanole bis zu sechsfach günstiger als Wodka, was für viele russische Männer offenbar mehr zählt als alle gesundheitlichen Bedenken. Sie greifen nach allem, was hochprozentig, aber billig ist. Und dies könnte nach einer Analyse von David Leon von der London School of Hygiene & Tropical Medicine ein Grund für die hohe Sterberate unter russischen Männern sein.

Für eine Fall-Kontroll-Studie hat Leon zusammen mit Vladimir Shkolnikov von der Max-Planck-Gesellschaft für demografische Forschung in Rostock Interviewer in die Staat Ischewsk geschickt. Die Hauptstadt der Republik Udmurtien gehört zu den tristen Industriestädten im Ural, die nach dem Untergang der Sowjetunion in eine tiefe wirtschaftliche Depression stürzten, was das seit jeher latente Alkoholproblem im männlichen Teil der Bevölkerung verschärfte.

Die Interviewer erkundigten sich in 1.750 Haushalten nach dem Trinkgewohnheiten von verstorbenen Männern. Die Angaben wurden dann mit einer gleichen Zahl (noch) lebender Männer gleichen Alters und gleichen Bildungsstands verglichen, die gleich häufig Raucher waren als die Verstorbenen.

Es zeigte sich, dass nicht der Wodka für den Tod russischer Männer verantwortlich ist. Er wurde in etwa gleich häufig von den Verstorbenen und den Kontrollen konsumiert. Doch die Trinkgewohnheiten waren anders: 45 Prozent der Verstorbenen (aber nur 12 Prozent der Kontrollen) wurden als problematische Trinker eingestuft. Zu den problematischen Trinkgewohnheiten gehört in Russland das ?Zapoi?: mehrtägige Alkoholexzesse, in denen die Männer sich dem normalen sozialen Leben entziehen. Problematisches Trinken verdreifacht nach einer Berechnung der Autoren das Sterberisiko.

Noch gefährlicher ist der Konsum von nicht für den Verzehr vorgesehenen Alkoholika. Dies wurde für 41 Prozent der Gestorbenen und 8 Prozent der Kontrollen angegeben. Das ergibt nach Berücksichtigung des Alters ein mehr als 9-faches Sterberisiko. Die Odds Ratio kann auf mehr als 20 ansteigen, wenn die Trinker täglich nach den Ersatzstoffen griffen.

Insgesamt, so schätzen die Epidemiologen, sind 43 Prozent aller Todesfälle bei Männern auf den Alkoholkonsum zurückzuführen. Dies hat zusammen mit der niedrigen Geburtsrate gravierende demographische Auswirkungen. Die Bevölkerungszahl sinkt in Russland jedes Jahr um 700.000 Menschen.

Quelle:© rme/aerzteblatt.de


 

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